"Freund und Feind bei Perry Rhodan" - unter dieser Überschrift bietet der nachfolgende Artikel einen Streifzug durch vierzig Jahre Perry-Rhodan-Romane, von den Anfängen über die Meister der Insel über den Schwarm, den Mahlstrom der Sterne und das Tiefenland bis in die Gegenwart. Ausserdem beschäftigt sich der Artikel kritisch mit der Frage, wie viele Bösewichter eine moderne Science Fiction Serie wirklich braucht.
Wo Licht ist, ist auch Schatten. Das gilt natürlich auch für die Perry-Rhodan-Serie. Die Perry-Rhodan-Autoren haben ein schillerndes Universum geschaffen, mit bunten, farbenfrohen Figuren. Viele von uns haben Mausbiber Gucky ins Herz geschlossen, oder den silberhaarigen Arkoniden Atlan, oder Reginald Bull oder den Haluter Icho Tolot oder den ehemaligen Maskenträger Alaska Saedelaere. Das Perry-Rhodan-Universum ist sauber konstruiert; die Vielfalt der Rassen ist beeindruckend, und die Liebe zum Detail wird stets überall erkennbar.
Professor Hoimar von Ditfurth erklärte schon vor zwanzig Jahren, diese Art von Science Fiction sei "nichts anderes als auf Weltraumanzug und Laserpistole umgerüstete Wild-West-Geschichten." Da ist natürlich etwas Wahres dran. Über weite Strecken sehen wir nach literarischen Gesichtspunkten eine schreckliche Schwarz-Weiss-Malerei. Perry Rhodan ist der Gute. Er kämpft für die Freiheit, für das Leben, für die Gerechtigkeit, eben für all jenes, was uns positiv und sinnvoll erscheint.
Und Perry Rhodan hat Feinde. Rabenschwarze Feinde, die nur das Böse wollen, Knechtschaft und Unterdrückung säen oder gar das Leben an sich auslöschen wollen. In Band zwei der Buchausgabe, "Das Mutantenkorps", trifft Perry Rhodan auf die Topsider, echsenartige Intelligenzwesen, die die ganze Menschheit unterdrücken und versklaven oder vielleicht sogar die töten würden, wenn sie denn wüßten, wo die Menschen genau leben. Hier kommt also das klassische Klischee von den bösen Ausserirdischen zum Tragen, die eine feindliche Invasion auf der Erde durchführen wollen. Perry Rhodan und seine parapsychisch begabten Mutanten sind den technisch hochentwickelten Topsidern natürlich haushoch unterlegen, und der Kampf erscheint eigentlich aussichtslos. Aber Perry Rhodan und seine Gefährten schaffen es trotzdem. Gerade darin bestand ja der Reiz der frühen Folgen der Serie.
Der nächste grössere Gegner, mit dem Perry Rhodan sich anlegt, ist der Robotregent von Arkon. Nach heutigen Maßstäben würden wir sagen, das ist eine AI, eine Artificial Intelligence. Der mächtige Robotregent von Arkon lenkt ganze Sternenflotten und würde die schöne Erde gnadenlos vernichten, falls er ihre Position herausbekäme. Diese Variante der Heimlichtuerei ist Perry Rhodan schon bei den Topsidern geglückt, allerdings ist die Bedrohung durch die arkonidische Sternenflotte ungleich grösser. Obwohl die Menschen völlig unterlegen sind, nehmen Perry und seine Freunde den Kampf gegen den Robotregenten auf. Einer der besten Romane in diesem Zusammenhang ist Band 84 der Heftserie aus der Feder von Walter Ernsting: "Rekruten für Arkon" (enthalten in Band elf der Buchausgabe, Seiten 74 - 127). Allerdings kann Perry Rhodan den Robotregenten nicht wirklich besiegen. Karl-Herbert Scheer löst das Problem anders: Der silberhaarige Arkonide Atlan kommt vorbei und schaltet den Supercomputer einfach ab. Genialer Plan! "Was war falsch, Arkonide?" fragt Perry Rhodan auf Seite 227 der Buchausgabe. Die Antwort von Atlan: "Unser Vorgehen überhaupt. Alles war umsonst, all die Anstrengungen, Gefahren und Mühen. Ich hätte nichts weiter zu tun brauchen, als nach der Landung aus dem Schiff zu steigen und vor den Energieschirm zu treten..." Nachzulesen im Silberbuch "Der Fall Kolumbus", das erstmals 1982 erschien und bis heute lieferbar ist.
Neue Feinde erscheinen, noch mächtiger und noch schrecklicher. In diesen Tagen hat die Pabel-Moewig Verlag KG einen Nachdruck des Silberbandes Nr. 19 auf den Markt gebracht: "Das zweite Imperium". Leider steht die Numerierung der Buchauflagen nicht mehr drin, aber immerhin erfahren wir: Printed in Germany 2001. Die Original-Heftromane erschienen 1964/1965. Siebenunddreissig schriftstellerische Jahre später sind die tellerköpfigen Blues ein integrierter Bestandteil der vereinten Menschheitsgalaxis, aber damals waren sie ein echter Gegner.
Atlan erinnert sich an fürchterliche Kämpfe mit widerlichen Methanatmern, den Maahks. Und rotäugige Giganten vom Planeten Halut kamen vorbei und machten alles nieder. Der MdI-Zyklus gilt bis heute als der erste große Höhepunkt der Perry-Rhodan-Serie, vielleicht sogar als der beste Zyklus überhaupt. In Band 250 der Heftromane / Band 27 der Buchausgabe unternimmt Perry Rhodan den Vorstoss in die Nachbargalaxis Andromeda. Das entsprechende Silberbuch trägt deshalb auch den einprägsamen Titel "Andromeda". Heute wissen wir: Das sind 2.2 Millionen Lichtjahre. Immerhin hatten die Autoren damals Respekt vor der Entfernung. Während in den Perry-Rhodan-Romanen der Gegenwart mühelos von einer Galaxis zur anderen gereist wird, war die Strecke nach Andromeda im MdI-Zyklus noch ein richtiges Abenteuer.
Um die gewaltige Entfernung zu überwinden, hatten sich die Perry-Rhodan-Autoren etwas besonderes einfallen lassen: die Sonnentransmitter. Im Zentrum der Milchstrasse findet Perry Rhodan eine Konstellation von sechs blauen Riesensonnen, die in der Form eines genauen geometrischen Sechsecks angeordnet sind. Karl-Herbert Scheer legt dem Chefmathematiker der Crest II in Band 200 folgende Worte in den Mund: "Jemand, gegen den wir im Verhältnis Steinzeitwilde sind, hat sechs Sterne von genau gleicher Grösse, Masse und Oberflächentemperatur gesucht, gefunden, sie aus den Umlaufbahnen um das galaktische Zentrum herausgezerrt und sie an der Stelle, die wir jetzt entdeckt haben, zu einer geometrischen Figur vereint."
Es stellt sich heraus, dass diese Meisterleistung allerdings nicht von den Feinden der Menschheit, den sagenumwobenen Meistern der Insel vollbracht wurde. Vielmehr bedienten sich die Meister der Insel eines Hilfsvolks. Die bösen MdI zwangen die eigentlich sehr friedfertigen Sonneningenieure zu dieser kosmischen Großtat. Walter Ernsting alias Clark Darlton beschreibt diese exotischen Lebewesen in Band 289 wie folgt: "Sie waren glühende Kugeln von etwa einem Meter Durchmesser. Sie hatten keine Gliedmassen und verrichteten alle körperlichen Arbeiten mit der Macht ihres Geistes. Ihre Energie bezogen sie aus den Sternen, und sie konnten sie speichern und nach Belieben abgeben. Sie waren harmlose Lebewesen und von den Meistern für ihre Zwecke missbraucht worden."
Was für ein Glück für Perry Rhodan, dass er nicht die Sonneningenieure zum Feind hat. Jedenfalls geht Perry Rhodan hin und macht den Sonnentransmitter in der Galaxis Andromeda kaputt. "Die Energieentwicklung entsprach der Explosion von fünfhunderttausend Milliarden Tonnen TNT... Das Bombenschiff hatte sich übergangslos in eine ultrahell strahlende Sonne verwandelt, die unter ihrem inneren Gasdruck sofort gigantische Dimensionen annahm. Der erste Teil des Plans war gelungen. Die Kunstsonne stand, und sie behielt die Geschwindigkeit bei, die das Trägerschiff im Moment der Zündung besessen hatte. So raste die glühende Kugel mit annähernder Lichtgeschwindigkeit auf den blauen Eckstern zu."
"Das Sonneninferno" ist der Name des Heftromans Nr. 288, geschrieben von Karl-Herbert Scheer, heutzutage enthalten in Band Nr. 31 der Buchausgabe, "Pakt der Galaxien". Perry Rhodan hat also schon im MdI-Zyklus in die Schöpfung eingegriffen. Nachdem der Sonnentransmitter kaputt ist, muss die Mannschaft zu Fuss nach Hause. Zu diesem Zweck benutzt man die Weltraumbahnhöfe der Maahks. Die Schwierigkeiten, die unsere Helden damals hatten, stehen in krassem Gegensatz zu der beiläufigen Leichtigkeit, mit der in den modernen Perry-Rhodan-Romanen Hinz und Kunz von Galaxis A nach Galaxis B reisen. Nur zum Vergleich: Unsere Freunde im STAR-TREK-Universum haben ganz andere Vorstellungen von interstellaren Reisen: das berühmte Raumschiff Voyager ist gerade mal 70 000 Lichtjahre von der Heimat entfernt, und für diese nach Rhodan'schen Maßstäben absolut geringfügige Entfernung braucht die Voyager gemäss ihrem ursprünglichen Fahrplan viele Jahrzehnte. Naja, immerhin entscheidet sich die Kommandantin zu einem illegalen Zeitparadoxon, wofür sie eigentlich ins Gefängnis gehört und nicht auf einen Sessel der Admiralität.
Perry Rhodan kämpft in der Andromeda-Galaxis gegen die Tefroder und gegen die geheimnisvollen Meister der Insel. Hier beging die Exposé-Redaktion in meinen Augen den ersten großen, schweren Fehler. Sowohl die Tefroder als auch die Meister der Insel sind in Wirklichkeit Menschen, nämlich Nachfahren der Lemurer, der ersten Menschheit, die vor 50 000 Jahren auf der Erde gelebt haben. Aristoteles hätte seine helle Freude an der zentralen Stellung, die unserer heimatlichen Erde nunmehr im Kosmos zukommt. Ursprünglich wollten uns Scheer und Ernsting lehren, dass die Erde ein unbedeutender Planet ist, der um eine unbedeutende Sonne in einem unbedeutenden Seitenarm der Milchstrasse kreist. So ist es ja auch richtig. Wie ich bereits ausgeführt habe, war diese Strategie in den ersten sechsundachtzig Bänden der Serie essentiell wichtig für das Überleben der Menschheit. Es gelang unserem Weltraumhelden immerhin, die genaue galaktische Position seines unbedeutenden Heimatplaneten nicht nur vor den Topsidern, sondern auch vor dem Robotregenten von Arkon geheimzuhalten.
Diese absurde Geschichte von den Lemurern und der ersten Menschheit stellt in dieser Hinsicht eine dramatische Kehrtwendung dar. Man muss allerdings berücksichtigen, dass diese überraschende Pointe in der Auflösung des Geheimnisses der Identität der Meister der Insel möglicherweise zu dem überwältigenden Erfolg des MdI-Zyklus beigetragen hat. Die erbitterten Feinde, gegen die Perry in der fernen Andromeda-Galaxis gekämpft hat, waren nicht irgendwelche widerlichen extragalaktischen Monster, sondern es waren Menschen. Das stimmt nachdenklich.
Auch in den modernen Perry-Rhodan-Romanen ist unsere heimatliche Erde zweifelsfrei der wichtigste Planet der gesamten Milchstrasse. Im Jubiläumsband 2000 wurde dem staunenden Leser aufgetischt, dass die mächtige Superintelligenz ES unter Millionen von möglichen Planeten ausgerechnet die Erde auswählt. Zitat aus Band 2000, Seite 22: "Seine Aufmerksamkeit fiel auf einen Sauerstoffplaneten, der sich objektiv gesehen durch keinerlei Besonderheiten auszeichnete. Die Lebewesen, auf die er traf, waren kaum mehr als Tiere. Lediglich eine Rasse von haarigen Waldbewohnern erschien ihm vielversprechend. Ein kosmisches Kraftfeld umhüllte jedoch den Planeten, ein sechsdimensional funkelndes Juwel, und die Verlockung schien ihm so mächtig, dass der Wanderer sich nicht entziehen konnte. Er glaubte sagen zu können, dass er seine Heimat gefunden hatte, auf dem dritten Planeten einer gelben Sonne."
Nachdem Perry Rhodan erfolgreich die Meister der Insel besiegt hat, erscheinen die Zeitpolizisten auf der Bildfläche. Diesmal geht es für Perry Rhodan in eine deutlich weiter entfernte Galaxis, aber wiederum gibt sich Karl-Herbert Scheer große Mühe, die gigantische Entfernung vernünftig und plausibel zu erklären. Der entscheidende Band, in dem die Reise geschildert wird, ist Heft Nr. 327 "Die vier Unheimlichen", heute enthalten in Buch Nr. 36 "Die Zeitpolizei". Fast unmerklich vollzieht sich in der Perry-Rhodan-Serie ein Wandel. Chefautor Karl-Herber Scheer zieht sich aus dem Alltagsgeschäft zurück und tritt als Autor praktisch gar nicht mehr in Erscheinung. Nach dem legendären Band 327 schreibt Scheer noch insgesamt fünf Romane. Mit dem Auftakt zum grandiosen Schwarm-Zyklus verabschiedet sich der mit dem Spitznamen "Handgranaten-Herbert" versehene geistige Vater unseres Weltraumhelden dann endgültig von der schreibenden Zunft.
Elf Jahre später kehrt Karl-Herbert Scheer ins Autorenteam zurück. In Band 1074, "Lockruf aus M 3", schildert Karl-Herbert Scheer die Abenteuer des Raumadmirals Clifton Callamon, der am 1. September 2401 mit einer Flotte von zweiunddreissig Schlachtkreuzern aufgebrochen war, um im Kugelsternhaufen M 13 gegen die Akonen zu kämpfen. Eintausendsechshundertundelf Jahre befand sich Admiral Callamon in der Gruft der Starre auf dem Planeten Yurgill, bis Gucky ihn im Jahre 425 Neuer Galaktischer Zeitrechnung wieder zum Leben erweckte. Doch Scheer's Comeback wollte nicht recht gelingen. Nach drei weiteren Romanen (zuletzt 1118, "Der Admiral und der Silberne") verschwand der ehemalige Chefautor erst einmal für weitere vier Jahre wieder in der Versenkung.
Im zweiten Anlauf, im Dezember 1986, feierte Karl-Herbert Scheer dann jedoch ein furioses Comeback. Der Roman Nr. 1320 trägt den Titel "Tostan, der Spieler", und der Held in diesem Roman ist tatsächlich ein alter Haudegen nach allerbestem Zuschnitt im Sinne
von Karl-Herbert-Scheer. Mehr als vier Jahre lang schreibt Perrys geistiger Vater nun wieder regelmässig an der aktuellen Erstauflage mit. Für seinen Helden Ratber Tostan sicherte sich Scheer prompt eine engagierte Fan-Gemeinde, die recht ärgerlich reagiert, als der wüste Draufgänger aufgrund einer Exposé-Vorgabe in Band Nr. 1414 sterben muss ("Der letzte Aufbruch"). Nunmehr wendet sich Scheer vermehrt den Serienhelden Perry Rhodan und Atlan zu. Beispielsweise schrieb Scheer Band 1498 "Rhodans Tod" und Band 1517 "Der Imperator." Der letzte Perry-Rhodan Roman aus der Feder des Altmeisters ist Band 1544, "Roulette der Auserwählten". Karl-Herbert Scheer starb am 15.09.1991.
Aber zurück zur Chronologie des Perry-Rhodan-Universums. Der Zyklus um die Abenteuer in der fernen Galaxis M 87 ist insgesamt eine spannende Angelegenheit, kann aber die Qualität des MdI-Zyklus nicht ganz erreichen. Besonders beliebt war die Figur des Roi Danton, der in Wirklichkeit Perry Rhodans Sohn ist. Nachdem die Zeitpolizisten allesamt besiegt sind, gibt es in der Handlung zwischen Band 399 und Band 400 einen Zeitsprung von etwa tausend Jahren. Heute wissen wir: das war ein Fehler. Der Cappin-Zyklus gilt allgemein als ein Tiefpunkt der Serie. Perry Rhodan besiegt auch die Takerer, wobei im letzten Band des Cappin-Zyklus "Entscheidung in der Plutobahn" der neunte Planet unseres Sonnensystems dran glauben muss. Das liest sich dann so:
"Die Erde bereitete sich auf die letzte Abwehrschlacht vor. Die Flotte der Sammler, noch mehr als hunderttausend, stand nun in einer Entfernung von fünf Lichtjahren in Richtung Wega und wurde pausenlos von den Schiffen der Solaren Flotte angegriffen." (S. 347) - Vierzig Seiten später in der Buchausgabe lesen wir: "Der Planet Pluto wurde von starken Beben erschüttert." Horst Hofmann hat dem vierundfünfzigsten Silberband den trefflichen Namen "Finale für Pluto" gegeben, und Seite 387 enthält die folgende Textstelle: "Pluto aber lag in den letzten Zuckungen. Der Planet zerbarst in Milliarden Trümmer, heftige Beben sprengten immer mehr vom festen Kern ab, und diese Bruchstücke jagten durch den freien Raum auf die ungleich grössere Kugel dicht neben dem ehemaligen neunten Planeten zu."
Besonders zimperlich waren also auch die klassischen Perry-Rhodan-Romane gewiss nicht. Immerhin, der gewünschte Erfolg tritt ein: "Dann starben die Takerer. Das Schreien in den Korridoren des Sammlers wurde leiser, überall erklang qualvolles Husten. Schliesslich glühten die Wände weiß. Alles verbrannte." (S. 392)
Autor dieser gewaltigen Raumschlacht war Hans Kneifel. Die Weltordnung ist wieder hergestellt. Die Bösewichter sind tot, und die Guten haben überlebt. Genauso wie es in der Trivialliteratur sein muss. Für den Zweck dieses Artikels ist es wichtig zu beleuchten, dass es sich um einen einzelnen Planeten handelt, der hier kaputt gemacht wird. Klar, es ist der Pluto, vor unserer Haustür, in unserem eigenen Sonnensystem. So wie auch die Amerikaner ganz besonders betroffen waren, als der böse Massenmörder Osama bin Laden die Gewalt auf amerikanischen Boden getragen hat. Das hat für die friedliebenden Menschen in der Westlichen Welt natürlich eine ganz andere Dynamik, als wenn sich in Kigali in Ruanda verfeindete Negerstämme bekriegen und dabei schätzungsweise 800 000 Menschen den Tod finden. Damals griff die amerikanische Luftwaffe nicht ein, um den Weltfrieden zu sichern. Warum eigentlich nicht?
Ist es erforderlich, in einer Science-Fiction-Serie Szenen von brutaler Zerstörung zu schildern? Am Ende des Cappin-Zyklus geht der Planet Pluto zu Bruch. Die oben zitierte Raumschlacht ist das Finale eines fast zweijährigen Handlungsabschnittes im Perry-Rhodan-Universum. Man mag darüber streiten, ob es nötig ist, solche Gewaltszenen zu Papier zu bringen, egal aus welchem Grund. Ich finde es wichtig, in Ruhe zu überlegen, ob es nötig ist, sich diese Gewaltszenen überhaupt auszudenken.
Mit Band 500 passiert etwas anderes im Perry-Rhodan-Universum: Die Galaxis wird verdummt. Perry Rhodan kämpft tapfer gegen die Schwarmgötzen. Das sind widerliche Monster. William Voltz beschreibt in Band 545 den Schwarmgötzen Cryt Y'Torymona: "Er war zu einer Kugel aufgedunsen, seine smaragdgrüne Haut war von silbernen Schuppen besetzt, und seine Gliedmassen waren von unschönen Auswüchsen bedeckt. Aus seinem runden Kopf ragten lange Fühler, neben den starren Augen fiel vor allem der dreieckige und lippenlose Mund auf." (S. 198)
Als Alaska Saedelaere dem Götzen begegnet, stellt er fest: "Das Wesen, das aufgrund seines Aussehens nur ein Insektenabkömmling sein konnte, war aus irgendwelchen Gründen kampfunfähig." (S. 229)
Alaska Saedelaere entscheidet sich, den Götzen zu töten und seine Plastikmaske weiter zu tragen.
Der Schwarm-Zyklus ist für die Perry-Rhodan-Serie eine ausgesprochene Blütezeit. Das gilt in mehrfacher Hinsicht. Mit Band 519 "Das heimliche Imperium" legt William Voltz ein literarisches Meisterwerk vor. An diesem Roman stimmt einfach alles. Für einen kurzen Moment verlässt die Perry-Rhodan-Serie den Bereich der Trivialliteratur und entwickelt sich zur Höchstform. Die Charaktere sind nicht mehr schwarz oder weiss, sondern wir sehen viele feine Schattierungen in Grau. Wer sind die Unheimlichen, die plötzlich auf der Konferenz der Immunen auftauchen? Sind es Spione aus dem Schwarm? Immerhin retten sie dem Arkoniden Atlan das Leben, als ein Attentäter ihn töten will.
STAR TREK hat seine Nielsen-Ratings. Unerbittlich wird für jede Folge festgestellt, wieviel Millionen Amerikaner die Flimmerkiste eingeschaltet haben. Die Quoten sind in Amerika sehr entscheidend. Die Verlagsunion Pabel-Moewig tut sich hingegen unglaublich schwer, den Erfolg ihres Weltraumhelden zu quantifizieren. Die gedruckte Auflage der Heftromane ist ein streng gehütetes Geheimnis. Warum eigentlich? PC Magazine, US Edition, veröffentlicht regelmässig ein Circulation Sheet, in dem ziemlich genau drin steht, was sie machen: eine Million Exemplare werden gedruckt, 800 000 gehen an die Abonnenten, so und so viele kommen in den Verkauf, und so und so viele kommen unverkauft aus dem Handel zurück. In Rastatt ist man lieber für Geheimniskrämerei als für Transparenz. Wofür das in einer freien Gesellschaft gut sein soll, weiß der Henker.
Die Ratings im US-Fernsehen erlauben aber auch einen gewissen Rückschluss, wie die einzelnen Folgen beim Publikum angekommen sind. Natürlich ist Quantität nicht gleich Qualität. Die Sterne des Rezensenten Jamahl Epsicokhan auf seiner Website haben für mich mehr praktische Relevanz als die reinen Quoten. Aber trotzdem fehlt der Perry-Rhodan-Serie irgendein objektivierbares System, um gute Folgen bzw. Romane von schlechten Episoden unterscheiden zu können.
Das war nicht immer so. In einer großen Bananenkiste habe ich Heft 594 der Erstauflage gefunden, das im Januar 1973 gedruckt wurde. Auf der Leserkontaktseite findet sich das Ergebnis einer Umfrage nach den drei besten Romanen des Schwarm-Zyklus. Offiziell vom Verlag durchgeführt, offiziell vom Verlag ausgewertet und in der Öffentlichkeit allgemein verkündet, zeigte dieses Unterfangen einen größeren Mut auf Seiten der Verantwortlichen, als er heute in Rastatt anzutreffen ist. Wenn ich eine wissenschaftliche Fortbildungsveranstaltung besuche, dann ist es durchaus üblich, dass ich beim Hinausgehen ein Zettelchen einwerfen kann, wo ich ankreuzen kann, wie es mir gefallen hat. Das gehört heute zur Qualitätssicherung einfach mit dazu. Das als One-Shoot zum Jubiläum herausgebrachte Perry-Rhodan-Magazin enthält einen solchen Fragebogen, wobei hier der Zusammenhang mit der kommerziellen Zukunft des Magazins offensichtlich ist und es sich nicht um eine Massnahme der Qualitätssicherung handelt.
Die Leser der Erstauflage haben damals entschieden: Platz 1 für den Roman "Das heimliche Imperium" von William Voltz, Platz 2 für Clark Darlton und Band 565, "Gucky, der Meisterdieb", und Platz 3 teilen sich W. Voltz und H. Kneifel für ihre Romane "Der Maskenträger" und "Die Gladiatoren von Terra".
Wenn ich sage, der Schwarm-Zyklus sei eine Blütezeit der Perry-Rhodan-Serie, dann gilt das insbesondere auch für Walter Ernsting, den geistigen Vater von Mausbiber Gucky. Mit Band 565 legt Walter Ernsting tatsächlich eines der besten Gucky-Abenteuer aller Zeiten vor. "Gucky, der Meisterdieb" ist heute enthalten im Silberband Nr. 63, "Das Tabora".
Ein dritter Autor, der hier genannt werden muss, weil er im Schwarm-Zyklus eine Blütezeit erlebt, ist Horst Gehrmann alias H. G. Ewers. Die Unheimlichen, die auf der Konferenz der Immunen in Band 519 erschienen waren, sind Abgesandte aus dem Volk der Cynos. H. G. Ewers konstruierte ein höchst eigenwilliges "Cyno Discovery Command", und Hauptperson dieser bunten Truppe ist der kleinwüchsige Marsianer Tatcher a Hainu. Genau wie im Zeitpolizei-Zyklus durfte H. G. Ewers auch diesmal den letzten Band des Zyklus schreiben.
Unvergessen bleibt die Szene, wo Horst Gehrmann seinen Helden Tatcher a Hainu mit einer Space-Jet in das tibetanische Hochland einfliegen lässt. Es handelt sich um einen Roman von kosmischer Größe; das Geheimnis des Schwarm wird endgültig gelöst. Eine riesige Gefahr wird von der Milchstrasse und ihren intelligenten Bewohnern abgewendet. Hatte uns Hans Kneifel im "Finale für Pluto" noch eine absolut gigantische Raumschlacht präsentiert, so wartet der Marsianer Tatcher a Hainu frustriert eine Viertelstunde an der Grenze des Sol-Systems, bevor man ihn hereinlässt.
Auf seiner eher touristisch anmutenden Reise erlebt a Hainu folgendes: "Unter mir sah ich, eingebettet in das wasserreiche, fruchtbare Tiefland, das sich von Delhi im Westen bis Sadya im Osten und dem Ganges-Delta im Süden erstreckte, Städte, Fabriken und Agro-Dörfer, Reis- und Teefelder und tätige Maschinen... Je näher ich meinem Ziel kam, desto spärlicher wurden die Ansiedlungen, desto karger die Vegetation. Ich flog in nur zweihundert Metern Höhe, deshalb sah ich das Massiv des Himalaja gleich einer eisgekrönten Mauer vor mir aufragen. Und dann blieben die Gemeinwesen hinter mir zurück. Ich sah nur noch die Einöde des Berglandes, durchschnitten von schmalen reißenden Flüssen, die ihren Ursprung in Himalaja-Gletschern hatten. Wenig später sah ich die Überreste der Ruinen von Kapilavastu, teils am Ufer des Flusses Rohini, teils auf Felsterrassen an einem schroffen Berg. Der nördliche Horizont wurde allein vom Himalaja beansprucht." (S. 395/396)
Phantastisch! Was für ein dramatischer Unterschied zwischen dem aggressiven Zyklus-Ende bei Hans Kneifel in Band 499 und der friedlichen Idylle bei H. G. Ewers im allerletzten Band des Schwarm-Zyklus! Die literarische Meisterleistung von Horst Gehrmann besteht darin, dass er uns aufzeigt, dass Gewalt, Aggression und Vernichtung eigentlich völlig entbehrliche Stilmittel sind - auch für das Finale eines actiongeladenen Großzyklus in der erfolgreichsten deutschen Science-Fiction-Serie aller Zeiten.
Der Roman "Das Korps der Cappins" ist ebenfalls enthalten im Silberbuch "Das Tabora", wo sich - wie bereits dargelegt - auch "Gucky, der Meisterdieb" verewigt hat. Im Verbund mit zwei spannenden Voltz'schen Romanen, wo der Chefautor die Weichenstellungen für die Lösung der Schwarm-Krise trifft, ist der Silberband Nr. 63 "Das Tabora" nach meiner persönlichen Werteinschätzung zweifelsfrei eine der drei besten bisher erschienen Hardcover-Editionen des Perry Rhodan-/Atlan-Universums. Zum Kauf empfohlen!
"Das Tabora" erschien 1998 erstmals in Buchform. Horst Hoffmann hat den gesamten Schwarm-Zyklus in die Buchausgabe übertragen. Dabei offenbart sich leider die größte Schwäche der Silberbände: Der verantwortungslose Umgang der Verlagsunion Pabel-Moewig mit dem literarischen Erbe der Perry-Rhodan-Autoren.
Um es mal ganz offen zu sagen: Die Autoren sind Menschen, und jeder hat eine eigene Persönlichkeit. Karl-Herbert Scheer, Walter Ernsting, Wilhelm Voltz, Horst Gehrmann, Hans Kneifel - jeder von ihnen ist ein bedeutender Schriftsteller, der zehntausenden von jungen Menschen viele vergnügliche Lesestunden geschenkt hat.
Die Werke eines Autors sind das, was zurückbleibt. "Wer schreibt, der bleibt", heisst ein belgisches Sprichwort. Für mich ist es absolut inakzeptabel, dass die Verlagsunion Pabel-Moewig bei den Silberbänden die Namen der Autoren vom Text trennt. Wer ein Silberbuch aufschlägt, bekommt einen Einheitsbrei serviert. Ein solches Buch besteht aus etwa dreiunddreissig bis vierzig durchnumerierten Kapiteln. Wer welches Kapitel geschrieben hat, wird nirgends vermerkt.
Wo gibt es denn so etwas? Wenn ich mir ein wissenschaftliches Fachbuch kaufe, dann gibt es oft auch einen federführenden Autor, der das Buch massgeblich gestaltet hat. Aber welche Fachleute jedes einzelne Kapitel geschrieben haben, steht in jedem ernstzunehmenden Werk drin. Ein vernünftiges Inhaltsverzeichnis ist auch für die Perry-Rhodan-Buchausgabe Pflicht. Indem die künstlerischen Früchte ihrer Arbeit in einem anonymen Einheitsbrei aufgehen, wird den qualifizierten SF-Schriftstellern wie Ernsting und Gehrmann der Lohn ihrer Schaffenskraft geraubt.
Ein junger Leser, der sich neu an die Abenteuer von Perry Rhodan, Atlan, Gucky & Co. herantastet, hat eigentlich keine reale Chance, das schriftstellerische Werk von Walter Ernsting angemessen zu würdigen - ganz einfach weil der Neuleser nicht weiß, wo denn nun das schriftstellerische Werk von Walter Ernsting anfängt und wo es wieder aufhört.
Durch solche dummen Eigentore verscherzt sich die Perry-Rhodan-Redaktion jeglichen Anspruch, Perry Rhodan könnte mehr sein als herkömmliche Trivialliteratur.
Aber natürlich käme dann heraus, dass Horst Hoffmann beim Redigieren einige Autoren besser behandelt und andere schlechter. Zu den besser Behandelten gehört Ernst Vlcek, und zu den schlechter behandelten gehört Walter Ernsting alias Clark Darlton.
Die Silberbände der Perry-Rhodan-Edition sind relativ teuer. Für dieses Geld darf man eigentlich ein gescheites Inhaltsverzeichnis erwarten. Und wenn es von den Verlags-Profis keiner machen will, gäbe es bestimmt unter den Fans welche, die ein Inhaltsverzeichnis erstellen würden (mich eingeschlossen).
Die wesentliche Aufgabe der Silberbände besteht darin, die Perry-Rhodan-Serie der Jugend zugänglich zu machen. Jeder Dreizehnjährige kennt STAR TREK, zwar vielleicht nicht unbedingt Käpt'n Kirk, aber von der Enterprise oder von Jean-Luc Picard oder vom Raumschiff Voyager haben doch fast alle Jugendlichen schon mal gehört. Dafür reicht ja auch ein Blick in die Fernsehzeitung. Leo Kirch hat 1996 in Deutschland fünf Pakete digitaler Fernsehprogramme geschnürt. Eines davon sendet auf dem luxemburgischen Satelliten Astra 1 F auf der Frequenz 11.798 Gigahertz. Darin enthalten ist der Sender "Premiere Sci-Fi", und der sendet an jedem Werktag um 18:50 Uhr eine Stunde STAR TREK. Werbefrei, deutsch synchronisiert und mit bester digitaler Tonqualität kommen die Abenteuer vom Raumschiff Voyager oder von Deep Space Nine immer wieder neu zu den Zuschauern, und jüngere Menschen können ganz problemlos in das STAR-TREK-Universum hineinwachsen. "Premiere Sci-Fi" bringt auch die aktuellen Folgen aus Amerika relativ schnell auf deutsche Mattscheiben. Deshalb sind Abo-Karten für die "Movie World" von Kirch's Pay-TV bei Trekkies heiss begehrt.
Als die Heftromanserie Perry Rhodan an den Start ging, gab es gerade mal ARD und ZDF. Erst 1984 startete in Deutschland das kommerzielle Fernsehen, damals war Perry Rhodan ungefähr bei Band 1100. Im Jahr 2002 stellt sich der Konkurrenzdruck des Fernsehens auf das Printmedium "Heftroman" ganz anders dar.
Es gibt jetzt mehr Unterhaltungsangebote im deutschsprachigen Fernsehen als jemals zuvor. Die Anzahl der kostenlosen und unverschlüsselten Digital-Angebote in deutscher Sprache liegt jetzt schon bei vierzig; Leo Kirch fügt mit dem Abonnement seiner Movie World noch einmal zwanzig Sender hinzu. Das hat zwei Auswirkungen: Einerseits haben die Leute allgemein weniger Zeit oder zumindest weniger Interesse, um Bücher oder andere gedruckte Publikationen zu lesen. Auf der anderen Seite liegt hierin aber auch eine große Chance. Für die sechzig Fernsehprogramme wird Material gebraucht, das man senden kann. Das Perry-Rhodan-Universum stellt einen faszinierenden Kosmos dar, den man verfilmen könnte. Nach meiner Auffassung standen die Chancen, eine PR-Fernsehserie zu realisieren, noch nie so günstig wie heute.
Ich glaube, wenn Perry Rhodan langfristig überleben will, ist es sogar erforderlich, die Weltraumabenteuer unseres geliebten Helden und seiner Freunde neu zu verfilmen. Das ist ein anspruchsvolles und wahrscheinlich auch kostspieliges Projekt. Es wird nicht einfach sein, die Wünsche der Alt-Leser nach einem möglichst reibungsfreien Übergang der bekannten Milchstrassen-Völker ins Fernsehen mit den typischen Vorstellungen professioneller Filmemacher unter einen Hut zu bringen. Aber nach meiner Meinung führt da kein Weg dran vorbei.
Derzeit ist das allerdings noch Zukunftsmusik. Vorläufig ist Perry Rhodan in erster Linie und hauptsächlich ein Printmedium. Der Weg zu unserem Weltraumhelden führt zwangsläufig über das gedruckte Wort. Da haben wir den Salat: Wer kann heute überhaupt noch lesen? Bereits 1985 fiel mir eine Reklame der "Coalition for Literacy" in die Hände, und die hatten folgenden erschreckenden Sachverhalt festgestellt: "Twenty-seven million Americans cannot read a bedtime story to a child."
Mehr Informationen zu diesem spannenden Thema gibt es im Internet: www.nifl.gov oder www.natcoalitionliteracy.org oder www.nifl.gov/coalition
Wir können alle genug lesen, um im Internet zu surfen oder um Auto zu fahren. Aber für's Perry-Rhodan-Lesen, da braucht es mehr. Da braucht man Konzentration und Ausdauer.
Wie auch immer. Der Verlag hat entschieden, dass es keine Sechste Auflage der Heftromane geben soll. Es gibt nur noch die Silberbände mit ihrem namenlosen Einheitsbrei. Wer Perry Rhodan lesen möchte, kann das tun. Die Silberbände sind nach meiner Kenntnis allgemein lieferbar und können in jeder Buchhandlung bestellt werden.
Neben dem herkömmlichen Buchhandel bewerben sich auch verschiedene Internet-Firmen um die Gunst des Kunden. Wir sind mit nrw.co.uk im Partner-Programm von Amazon; deshalb habe ich dort einmal nachgeschaut. Amazon.de fand 117 Treffer für "Perry Rhodan". Nach Verkaufsrang geordnet waren da zunächst die beiden aktuellen Silberbände "Die Laren" (Platz 145) und "Konzil der Sieben" (Platz 1 529), gefolgt vom allerersten Band "Die dritte Macht" (Verkaufsrang 2 339). Ebenfalls gut plaziert waren die Buchausgaben Nr. 2 - 12. Die fünfundzwanzig meistverkauften Perry-Rhodan-Hardcover bei Amazon.de waren allesamt entweder versandfertig in zwei bis drei Werktagen oder sogar versandfertig in 24 Stunden.
Diese allgemeine Verfügbarkeit der gebundenen Perry-Rhodan-Romane ist ein schönes Ergebnis. Bei aller Kritik an der Buchausgabe ist es ein wichtiger Vorteil, dass jeder Leser selbst bestimmen kann, in welchem Tempo er das nächste Buch kauft oder welchen Zyklus er lesen will.
Schlechter steht es um die Atlan-Bücher. Der aktuelle Band 19 der Atlan-Hardcover, "Piraten der Sterne", schafft immerhin Rang 6 995. Rechnerisch liegt der aktuelle Atlan-Band damit hinter dem am vierthäufigsten verkauften Perry-Rhodan-Band 73, "Schach der Finsternis" (Rang 6 381). Jedoch landet der unmittelbar vorhergehende Atlan-Band 18, "Die Folterwelt", nur noch auf Platz 20 769 der Amazon.de-Verkaufshitparade. Vermutlich ist der Verlag an dieser Misere selber schuld. Wer kauft schon ein Buch mit dem Namen "Die Folterwelt"? Vielleicht hätten sie das besser auf einer Webseite für Sado-Masochisten inseriert. Atlan-Band 1, "An der Wiege der Menschheit", erreicht Verkaufsrang 14 558. Allerdings findet sich hier erstmals der ärgerliche Hinweis, das Buch sei erst nach vier bis sechs Wochen lieferbar.
Bis zu dem Zeitpunkt, wo ich diesen Artikel geschrieben habe (Oktober 2001), wurden insgesamt 75 Silberbände mit den Abenteuern des Weltraumhelden Perry Rhodan veröffentlicht. Das entspricht dem Stand der Handlung von Heftroman Nr. 663, "Leticron, der Überschwere".
Das fünfundsiebzigste Silberbuch trägt den Titel "Die Laren". Bei der Planung dieses Zyklus sagte Karl-Herbert Scheer auf einer Redaktionssitzung im Herbst 1972: "Ein Bombenthema!", und der damalige Chefredakteur K. Bernhardt bedauerte, dass man dieses Thema nicht bis Band 1000 aufheben könne.
Die Laren gehören zu den schlimmsten Feinden, gegen die Perry Rhodan je zu kämpfen hatte. Im Handstreich haben diese bösen aussergalaktischen Invasoren gleich die ganze Milchstrasse erobert. Hier ergibt sich ein riesengrosses Problem für die Perry-Rhodan-Redaktion. Nachdem der Sternenschwarm wieder abgezogen ist, nachdem die Takerer, die Zeitpolizisten und die Meister der Insel besiegt sind, braucht Perry Rhodan jetzt noch stärkere, noch mächtigere und noch eindrucksvollere Feinde.
Braucht er die wirklich? Jedenfalls sind die Autoren damals diesen Weg gegangen. Die Laren haben eine Supertechnik und sind unüberwindlich. Da ist natürlich eine Gefahr drin: Kann und soll ich die Bösewichter immer mächtiger machen? Wohin soll das führen?
Und auch dieser Leticron ist ein echter, extrem fieser Widerling. Mit ihrer weit überlegenen Technik beherrschen die Laren fast zweihundert Heftromane lang unsere Heimatgalaxis und richten ein Regime des Terrors und der Unterdrückung ein. Mit der Freiheit in der Milchstrasse ist es in der Perry-Rhodan-Serie nun für einen Handlungszeitraum von mehr als hundert Jahre vorbei.
Die Perry-Rhodan-Serie läßt sich meines Erachtens relativ mühelos in drei große Abschnitte einteilen. Der erste Abschnitt beginnt mit der ersten Mondlandung und endet mit dem waghalsigen Versuch unseres Weltraumhelden, die heimatliche Erde aus ihrer Umlaufbahn um die Sonne herauszunehmen und in einen entlegenen Winkel der Milchstrasse zu transferieren. Dieser frevelhafte Eingriff in Gottes Schöpfung ist dann doch etwas zu groß für unseren Weltraumhelden, und die Sache misslingt kläglich.
Die Erde erscheint im Mahlstrom der Sterne. Aus meiner Sicht ist hier eine deutliche Caesur in der Perry-Rhodan-Serie zu erkennen.
Dieser Einschnitt liegt etwa bei Band 670. "Im Mahlstrom der Sterne" ist gleichzeitig der Titel von Heftroman Nr. 676 aus der Feder von Hans Kneifel. Alsbald werden diese Abenteuer auch in der Buchausgabe erscheinen.
Nach seinem missglückten Versuch, die Erde vor den Laren in Sicherheit zu bringen, glänzt Perry Rhodan erst mal durch Abwesenheit in der Milchstrasse und überlässt den Partisanenkampf gegen die larischen Invasoren seinem langjährigen Freund Atlan.
Perry Rhodan beschäftigt sich ab sofort mit Superintelligenzen. Er lernt die Kaiserin von Therm kennen, er befreit Bardioc, wir erfahren etwas über das Zwiebelschalenmodell der kosmischen Evolution, und schliesslich treten die Kosmokraten auf den Plan. Perry Rhodans langjähriger Weggefährte Atlan wird in die Region hinter den Materiequellen verschlagen und kehrt als Orakel von Krandor ins Standarduniversum zurück. Es folgen die Abenteuer um die endlose Armada, wobei es im wesentlichen darum geht, das Kosmonukleotid TRIICLE-9 an seinen angestammten Platz im Tiefenland zurückzubringen.
Der zweite Abschnitt der Serie ist untrennbar mit dem Namen William Voltz verbunden. Dieser Schriftsteller schaffte es, seinen Lesern einen "Sense of Wonder" zu vermitteln. Dazu gehörte auch ein Gefühl für die Grösse des Kosmos.
William Voltz starb am 24. März 1984. Sein letzter Perry-Rhodan-Roman war Band 1165, "Einsteins Tränen".
Der Einfluss von William Voltz auf die Serie reichte noch weit über seinen Tod hinaus, wie man beispielsweise an den phantastischen Abenteuern im Tiefenland sieht.
Der dritte Abschnitt der Serie ist massgeblich dadurch gekennzeichnet, dass neue Gesichter die Regie bei Perry Rhodan übernehmen.
Vier Jahre nach dem Tode von William Voltz ist sein heutiger Nachfolger bei Perry Rhodan eingestiegen. Am 14.7.1988 veröffentlichte Robert Feldhoff Band 1328 der Perry-Rhodan-Serie, "Die Harmonie des Todes", einen superguten, spannungsreich geschriebenen Roman. Schon alsbald stellte sich heraus: Robert Feldhoff war eine tolle Ergänzung des Autoren-Teams. Über die Jahre hinweg lieferte er fast durchgehend überdurchschnittlich gute Romane. Inzwischen ist er zum Chefautor aufgestiegen und macht die Exposé-Redaktion für die grösste deutschsprachige SF-Serie aller Zeiten.
Perry Rhodan erscheint weiterhin Woche für Woche. Die Heftromane kosten 1.60 €. Natürlich ist es eine große Leistung, die Serie am Leben zu halten. Allerdings frage ich mich manchmal, was in den Köpfen der Exposé-Redakteure vorgeht, wenn sie neue Monster erschaffen.
In Band 2093, "Requiem für einen Ewigen", erzählt Ernst Vlcek die Geschichte des Ober-Monsters und Ultra-Bösewichts Kintradim Crux. Es ist eine haarsträubende und entsetzliche Geschichte. So etwas möchte ich eigentlich nicht lesen.
"'In diesen Behältern werden die Quanten der Nukleotiden Pest gelagert', erklärte Zen-Skogo. 'Es handelt sich dabei, um die wirkungsvollste Massenvernichtungswaffe, die den Chaotarchen bekannt ist - das effizienteste Massenvernichtungsmittel des gesamten Universums.'" (S. 42)
Auweia! Brauchen wir das? Muss ich mich in meiner Freizeit mit krankhafter Phantasie beschäftigen, die sich neue Massenvernichtungsmittel ausdenkt? Trivialliteratur ist Fluchtliteratur. Eigentlich wollte ich den Sorgen des Alltags entfliehen und mich in eine schöne Phantasiewelt zurückziehen.
Aber das geht nicht. Jedenfalls nicht mit den aktuellen Heften der Perry-Rhodan-Serie, die im Oktober 2001 auf den Markt kamen. Ernst Vlcek hat sich folgendes ausgedacht:
"Die faßartigen Behälter wurden Nekrophore genannt. Jede Nekrophore enthielt Aberbillionen von Koagulaten, die ihrerseits wieder aus Ballungen von bis zu vierzig Milliarden Bioziden bestanden - so dass sich eine unvorstellbare Zahl an absolut tödlichen Partikeln ergab... Biozide waren 'antipsionische Wirkungsquanten' und waren verwandt mit dem Nega-Psi, das zu den Waffen der Chaotarchen gehört...
Ich war der Henker für die Bewohner einer ganzen Galaxis! An meinem Ziel angelangt, betätigte ich den Öffnungsmechanismus der Nekrophore, so dass die unzähligen Koagulate entweichen und ins All strömen konnten. Die Koagulate entmaterialisierten mit dem optischen Effekt eines Funkenregens; dies war das einzige Schauspiel, das mir geboten wurde... Die Koagulate bewegten sich nach ihrer Entmaterialisierung überlichtschnell entlang den Gravitationslinien der Galaxis. Sie traten stets dort wieder in das vierdimensionale Kontinuum ein, wo sich große Mengen an Vitalenergie ballten - in der Regel handelte es sich dabei um von Intelligenzwesen besiedelte Planeten.
Die Koagulate aus dreissig bis vierzig Milliarden einzelnen Bioziden orientierten sich nach den am höchsten entwickelten Wesen dieser Welt. Diese wurden als Ziele identifiziert. Jedes Biozid koppelte sich daraufhin an eines der identifizierten Lebewesen und bewirkte eine spontane Auslöschung jeglicher Vitalenergie. Das hatte zur Folge, dass jedes von einem Biozid befallene Lebewesen einer unkontrollierten, spontanen Mutation unterlag, die unweigerlich mit dem Tod endete. In diesem Fall mit milliarden- und abermilliardenfachem Tod." (Originalzitat aus Perry-Rhodan-Roman Nr. 2093, Seite 43)
Da wird einem doch richtig schwindelig, wenn man diese absurde Gedankenkonstruktion liest! Ich halte das nicht nur inhaltlich und medizinisch für ausgemachten Schwachsinn, ich halte das vor allem für ethisch verwerflich.
Lieber Gott, was ist aus der Perry-Rhodan-Serie geworden? Wo ist der Respekt vor der Größe Deiner Schöpfung geblieben, die uns William Voltz in "seiner" Perry-Rhodan-Serie immer gezeigt hat? Die Chaotarchen als Gegenspieler zu den Kosmokraten sind eigentlich eine Erfindung aus der Voltz'schen Ära. Aber wenn ich mich einigermassen richtig an die Bände von 1200 bis 1271 erinnere, dann war das damals nicht so brutal.
Ich glaube, die Perry-Rhodan-Serie ist mit dieser Beschreibung von unvorstellbaren Massenvernichtungswaffen auf einem kompletten Holzweg. Band 2093 ist ein gefundenes Fressen für alle Kritiker, die der Perry-Rhodan-Serie schon immer einen 'reinwürgen wollten. Wenn Klaus N. Frick und Robert Feldhoff nicht sehen, welchen ungeheuren Image-Schaden die Serie davonträgt, weil ohne triftigen Anlaß der Untergang ganzer Galaxien geschildert wird, dann tut es mir leid.
In Band 499 "Entscheidung in der Plutobahn" wurde ein ganzer Planet vernichtet (siehe oben). Kritiker sagen, das ist faschistisch und gewaltverherrlichend. Aber bitte, was ist denn das, was uns die Redaktion in Band 2093 auftischt?
Lesen wir noch ein paar Zeilen aus dem Leben von Kintradim Crux: "Das Entsorgen von Leben und das Säubern ganzer Galaxien wurde für mich bald zur Routine. Die einzige Abwechselung dabei war, nach überlebenden Biozid-Mutationen zu suchen. Ich glaube, ich hatte bereits über fünftausend solcher Aufträge erledigt, als mir völlig überraschend das Auftreten einer Dunklen Geburt gemeldet wurde." (Originalzitat aus Perry-Rhodan-Roman Nr. 2093, Seite 46)
FÜNFTAUSEND! Kann man sich das überhaupt vorstellen? Fünftausend Galaxien! Dieser Kintradim Crux hat alle intelligenten Bewohner von fünftausend Galaxien bestialisch ermordet! Will ich mir das überhaupt vorstellen?
Warum lese ich einen solchen Quark? Was mich am meisten stört, ist die Beiläufigkeit, mit der die Redaktion ein solches Massensterben duldet. Gibt es denn in Rastatt niemanden, der die Romane Korrektur liest?
Als die Takerer den Pluto kaputt gemacht haben, war das wenigstens dramaturgisch sinnvoll. Es war das Finale eines großen Zyklus. Zwar hat Horst Gehrmann zwei Jahre später bewiesen, dass man ein spannendes Finale auch anders gestalten kann. Aber die fünftausend Galaxien, die der Massenmörder Kintradim Crux zerstört, sind nach meiner Auffassung dramaturgisch überhaupt nicht sinnvoll.
Die Handlungsebene der Gegenwart könnte genauso gut existieren, ohne dass Ernst Vlcek den Lesern ein Massensterben in fünftausend Galaxien serviert. Für den Fortgang der Handlung ist das in keiner Weise erforderlich. Ich finde es einfach nur widerlich.
Torr Samaho hält Kintradim Crux für einen jämmerlichen Versager. Damit begegnen wir gleich dem nächsten Ober-Monster. In Band 1988, "Die Diener der Materie", wurde dieser unerträgliche Fiesling bereits eingehend geschildert.
Unmittelbar nachdem Ernst Vlcek seinem Roman "Requiem für einen Ewigen" publiziert hat, versuchen Uschi Zietsch und Uwe Anton das Schiff wieder auf den richtigen Kurs zu bringen.
Gottseidank gelingt das auch. Trim Marath und Mondra Diamond machen dem Ultra-Bösewicht Torr Samaho den Garaus. In seinem Roman Nr. 2095 schildert Uwe Anton, wie Mondra Diamond dem Ober-Monster endlich den letzten Todesstoß versetzt: "Sie riß den Meßfühler herunter, schwang das Gerät, legte alle Kraft in diese Bewegung und führte den Schlag direkt in das Auge des Zyklopen! ... Das Zyklopenauge Samahos platzte, scharfe, beißende Flüssigkeit spritzte über Mondra Diamond und schien ihre Haut zu verätzen, der Meßfühler drang tief in den Schädel des Maunari-Leibes ein." (Band 2095, S. 33)
Und dann ist es vollbracht: "Die ehemalige TLD-Agentin wartete an Samahos Seite, während der ehemalige Diener der Materie starb."
(Band 2095, S. 37)
"Nach fast drei Millionen Jahren Leben war Torr Samaho tot. Einer der schlimmsten Feinde der Menschheit war nicht mehr. Er hatte unsägliches Leid über die Milchstrasse gebracht, über andere Galaxien, über zahlreiche dichtbevölkerte Planeten. Und wir schienen um ihn zu trauern, ihn zu bemitleiden." (Gedanken des Arkoniden Atlan in Band 2095, S. 37)
Der Titel von Uwe Antons Roman 2095 heisst "Nekrophoren", was zu der Befürchtung Anlass gibt, dass diese widerlichen Massenvernichtungsmittel auch im nächsten Zyklus noch eine Rolle spielen werden. Ich finde, die Perry-Rhodan-Redaktion sollte mit der Wahl ihrer Titel vorsichtiger umgehen. Ich hätte auch das schlechtverkaufte Atlan-Hardcover keinesfalls "Die Folterwelt" genannt.
Was weht da für ein Geist in den Hallen des Pabel-Verlags, dass die Macher Spass an dieser Form von Unterhaltung haben? Interessanterweise war die Rezeption des Romans 2093 "Requiem f&u